Vita
Linde Reinecke
Jahrgang 1951
lebt in Husum arbeitet seit 30 Jahren mit Ton
Gemeinschaftsausstellungen in öffentlichen Räumen, Galerien und kulturellen Einrichtungen
Nichts ist so spannend wie das Gesicht eines Menschen.
Erde ist mein Element.Sie ist mir vertraut,seit mich mein Großvater in seine um einen großen Teich gelegenen Schrebergärten mitnahm.Ich verbrachte Stunden damit,den brütenden Wildenten zuzuschauen.Auf dem Schoß meines Großvaters sitzend,eingehüllt in Tabakrauch,Erde an den Händen und unter den Füßen - das sind meine schönsten Kindheitserinnerungen.Der Garten,das Arbeiten mit Erde und Pflanzen,sollte dann später zu meiner großen Passion werden.
Doch spätestens wenn es November wird und mich die niedrigen Temperaturen endgültig aus meinem Garten vertreiben,zieht es mich in meine Werkstatt zu meiner "Wintererde".Dann beginnt der Dialog mit dem Ton.Erde und Ton sind Balsam für meine Seele.Ich vertiefe mich ganz in meine Arbeit.
Die stille Schaffenszeit beginnt.
Bei jeder Arbeit,die ich beginne,nagen Zweifel an mir - denke ich,dass es nicht gelingen wird (bin Autodidaktin - ein beschwerlicher Weg).Aber dann wird mir das Gesicht immer vertrauter,jeder Schritt ist nun irgendwie folgerichtig - habe alles schon einmal gesehen.
Als junges Mädchen zeichnete ich immer nur Portraits.Irgendwann entdeckte ich dann den Ton.Ich spielte und experimentierte mit ihm.Ernsthafter wurde ich,als ich dem Zauber afrikanischer Masken erlag und dann später die Arbeiten der großartigen Jeanne Mammen und anderer Maler der zwanziger und dreißiger Jahre umzusetzen versuchte.
Dann nach zweijähriger Renovierung meines über 350 Jahre alten Elternhauses,in deren Verlauf ich mehr als 700 Fliesen nach historischen Vorlagen bemalt und gebrannt habe,gab es einen Bruch.Ich wollte in gewohnter Weise mit meinen Köpfen weiterarbeiten,aber es gelang nicht.
Es war ein Schnitt,den ich zunächst tief bedauerte,aber dann als Chance begriff.Langsam fand ich zum Realismus.Realismus in Form der menschlichen Gestalt.
Nichts ist für mich so spannend wie das Gesicht eines Menschen,besonders das eines älteren Menschen.Lebensfreude, Überdruss, Trauer, Entbehrung, Einsamsamkeit,Angst - alles frisst,gräbt sich in dieses Gesicht und hinterlässt Spuren.
Gesichter - sie fesseln,verzaubern mich.Man kann in ihnen spazieren gehen.Ein Gesicht,ich nehme es wahr - begleitet von Gedanken,Gefühlen,sinkt es in die Tiefe meines Unterbewusstseins.Beim Modellieren steigen Erinnerungsfetzen empor und ich gestalte sie zu einer neuen Identität.
Dem Betrachter öffnet sich leise eine Tür.Er entdeckt Verschüttetes,Fremdes und doch irgendwie Vertrautes,den Hauch einer Erinnerung an eine Begegnung oder den Anblick eines Menschen - aber ,wann,wo...
Meine Köpfe,sie sind meine Gefährten,so vertraut...
Was wohl noch kommt?